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Article: Alles super? Milus Archimèdes Super Compressor im Test

Alles super? Milus Archimèdes Super Compressor im Test

Alles super? Milus Archimèdes Super Compressor im Test

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Milus war für mich eine der Überraschungen der Inhorgenta 2024. Die im Schweizer Biel ansässige Marke fliegt in Deutschland trotz langer Historie bisher ziemlich unter dem Radar – aufgrund einiger Höhen, aber auch Tiefen. „Milus ist eine Art 100 Jahre altes Start-up“, sagte Luc Tissot anno 2019 in einem Interview – ja genau, der Herr Tissot, der die gleichnamige Marke im Rahmen der Quarzkrise in den 70ern an die Swatch Group verkauft und 2016 die Geschäfte von Milus übernommen hat. Eines der Modelle aus der Ära “Milus 2.0” unter der Führung von Luc Tissot ist die Archimèdes Super Compressor-Taucheruhr, die wir uns hier im Detail anschauen.

Eckdaten Milus Archimèdes:
  • Swiss Made
  • Schweizer Automatikkaliber ETA 2892-A2 (Qualitätsstufe Top)
  • Gehäuse aus Edelstahl
  • Durchmesser 41mm
  • Höhe 11,9mm (inkl. Glas)
  • Horn-zu-Horn 51mm
  • Heliumventil
  • Krone und Boden verschraubt
  • Gewölbtes Saphirglas mit innerer Antireflexbeschichtung
  • Wasserdichtigkeit 30 bar / 300 Meter / 30 atm
  • Listenpreis: 2106€ direkt über milus.com oder den offiziellen deutschen Online-Fachhändler chronofactum.com

Über Milus und den unter Luc Tissot eingeschlagenen Weg

Milus wurde bereits anno 1919 von Paul William Junod in der Bieler Route de Reuchenette gegründet und feierte damit nach Adam Riese vor wenigen Jahren 100-jähriges Jubiläum. Bemerkenswert dabei ist, dass Milus bis 2002/2003 durchgängig im Besitz der Gründerfamilie war – trotz großer Widrigkeiten durch die Quarzrevolution, die so manchen Schweizer Uhrenhersteller in den Konkurs getrieben hat: Nach Paul William Junods Tod im Jahre 1951 übernahm sein Sohn Paul Herbert die Führung des Familienunternehmens. 1982 übergab Paul Herbert das Unternehmen an seine beiden Söhne Paul und Pierre Junod.

Ein spannendes Highlight in der Geschichte von Milus ist, dass die Bieler als offizieller Lieferant der US-Marine im Zweiten Weltkrieg aufgetreten sind: Die Marineflieger, die Einsätze im Pazifik flogen, erhielten damals einen kleinen Kasten, den sie in ihren Fliegeranzügen dabei hatten. Es handelte sich dabei um ein sogenanntes “Life Barter Kit“: Die Idee dahinter war einem Piloten, dessen Flugzeug abgeschossen wurde (und der z.B. über einen Fallschirm-Sprung überlebte), etwas Wertvolles im Sinne einer “Lebensversicherung” an die Hand zu geben.

Das Set bestand in diesem Sinne aus einer Milus-Uhr mit zusätzlichem, aufgerolltem Textilarmband, zwei goldenen Ringen, einer Goldkette und einem Goldanhänger. Diese wertvollen Gegenstände hätte der gestrandete Pilot dann zu Tauschzwecken nutzen können, um falls nötig seinen Hintern zu retten.

Auch der ehemalige US-Präsident und 2018 verstorbene George H.W. Bush Senior hatte ein solches Kit dabei als er im Rahmen seines Einsatzes im Pazifikkrieg am 19. Juni 1944 notwassern musste – benötigt hat er das Barter Kit aber nicht: Er wurde von der Besatzung der USS Clarence K. Bronson gerettet.

Übrigens: Das aktuelle Milus-Modell Snow Star aus 904L-Edelstahl ist eine Neuauflage der Milus-Uhr, die Bestandteil des Life Barter Kits war.

Die Milus SA war seit drei Generationen ein Familienunternehmen, als sie 2003 an chinesische Investoren verkauft wurde. Zunächst im Besitz der Peace Mark-Gruppe, wurde die Marke 2008 an den Mischkonzern Chow Tai Fook weitergereicht, der Milus eine deutlich hochpreisigere Luxus-Ausrichtung verpasste – mit Modellen für mehrere zehntausend Euro.

Das ist nun aber Geschichte: Die Trendwende kam 2016 als mit Luc Tissot ein prominentes Gesicht in der Welt der Uhren, wie eingangs beschrieben, Milus übernahm. Die letzten Jahrzehnte war Luc Tissot hauptsächlich in der Medizintechnik tätig, unter anderem mit Tissot Medical Research, ein Unternehmen, das einen Glaukom-Erkennungssensor mithilfe der Messung des Augeninnendrucks entwickelt. 2016 hat Herr Tissot aber offensichtlich wieder der Uhrenvirus gepackt. Die etwas fragwürdige Ausrichtung des chinesischen Investors sind Geschichte und die heutigen Milus-Modelle konzentrieren sich auf klassisches Design zu vergleichsweise erschwinglichen Preisen – Back to the Roots also. 

Milus Archimèdes – alles super?


Milus setzt primär auf bewährte Designs aus der eigenen Markenhistorie – darunter das Modell Archimèdes als Nachfolger des Milus Super Compressors der 70er Jahre, das wir uns hier näher anschauen wollen (unten dazu auch ein direkter Vergleich von Neuauflage und Vintage-Original).

Kurz zur historischen Einordnung: Die auf Uhren-Gehäuse spezialisierte Schweizer Firma Ervin Piquerez S.A. (EPSA) tüftelte in den 1950er Jahren eine pfiffige Technologie aus, welche die Wasserdichtigkeit von Uhren deutlich verbesserte: Die Idee hinter den speziell für Taucheruhren entwickelten, sogenannten Super Compressor-Gehäusen war, dass die Wasserdichtigkeit mit zunehmender Wassertiefe steigen sollte – dank einer speziellen wellenförmigen Feder im Gehäuseboden, die mit zunehmendem Wasserdruck das Gehäuse immer weiter abdichtet. Und das war ein echter Verkaufsschlager: Dutzende gestandene Uhren-Marken bauten damals Modelle mit Super Compressor-Gehäuse auf der Grundlage des EPSA-Patents – darunter auch, na klar, Milus. Dem Milus-Super Compressor vorangegangen war wiederum die Milus 666 – eine Taucheruhr mit außenliegender Lünette im “klassischen” Sinne.

Mit dem Modell Archimèdes hat Milus eine Neuauflage lanciert, die sich nah an diesem klassischen Super Compressor-Stil bzw. “Dual Crown”-Stil orientiert: So kommt – wie für eine Super Compressor-Uhr klassischerweise üblich – auch die Milus Archimèdes nicht mit einer außenliegenden Lünette, sondern mit einem innenliegenden, bidirektional und stufenlos drehbaren Zifferblattring, der sich über die obere, ebenfalls verschraubte Krone, ansteuern lässt.

Milus bleibt beim allgemeinen Zifferblatt-Design weitgehend der Vorlage aus den 70ern treu. Beim Zeigersatz hat sich Milus aber gegen die damals bei einigen Modellvarianten zum Einsatz kommenden rechteckigen Zeiger entschieden. Stattdessen kommen nun ein „Broad Arrow“-Stundenzeiger in Verbindung mit einem spitz zulaufenden Dauphine-Minutenzeiger und ein Lollipop-Sekundenzeiger zum Einsatz – der Ablesbarkeit tut das naheliegenderweise sehr gut, da sich alle Zeiger wesentlich unterscheiden.

Alle Zeiger kommen außerdem mit einem Diamantschliff und sind rhodiniert, d.h. mit Rhodium beschichtet. Rhodium ist ein silberweißes Edelmetall mit optischen Ähnlichkeiten zu Platin. Gegenüber Platin wirkt Rhodium allerdings deutlich heller und glänzt stärker. Allerdings ist Rhodium auch ziemlich teuer, da es eines der seltensten Metalle auf der Welt ist. Aus funktionaler Sicht wird durch die Rhodium-Beschichtung ein zusätzlicher Korrosions-Schutz aufgebaut.

Bei der hier gezeigten Variante sind Zeiger und Indizes mit Super-LumiNova in der Farbe Old Radium belegt, die bei Tageslicht einen bräunlich-pastellorangen Farbton hat. Bei Dunkelheit ist das Nachleuchten grünlich – der Farbton, den das menschliche Auge am besten wahrnimmt. Old Radium ahmt die vor Jahrzehnten zum Einsatz kommenden radiumhaltigen Leuchtfarben nach, die über die Jahre bräunlich wurden. Anders als das früher zum Einsatz kommende Radium, bringt Super-LumiNova Old Radium aber natürlich keine Strahlenexposition mit und ist schon gar nicht gesundheitsgefährlich. Der Einsatz von Old Radium als Leuchtfarbe unterstreicht den waschechten Retro-Charakter der hier gezeigten “Gravel Black”-Modellvariante, insbesondere in Verbindung mit dem gelungenen Dégradée-Effekt (das Schwarz wirkt zum Rand hin sehr kräftig und zur Mitte hin gräulich). Wer es etwas moderner mag, der findet vielleicht Gefallen an den farblich peppigeren Varianten Deep Blue, Silver Storm, Wild Green oder Yellow Stone.

Bei meinem Test der Titoni Sescoper 600 Retro, die ebenfalls mit Super-LumiNova in der Farbe Old Radium kommt, habe ich noch das weiße, nicht weiter modifizierte Standard-Datumsfenster kritisiert, das sich nicht so recht ins Gesamtbild einfügen will. Auch die Archimèdes kommt mit einer Standard-Datumsscheibe in Weiß, allerdings sieht diese hier deutlich stimmiger aus, da die Ziffern im Drehring sowie Schrift- und Bild-Logo (seit 1930 eine stilisierte Krone in Anlehnung an den Gott Hermes) weiß ausgeführt sind – so ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild.

Man beachte auf den Makroaufnahmen der Archimèdes auch die Perfektion, mit der die Zifferblatt-Drucke umgesetzt sind – da macht das Fotografieren gleich doppelt so viel Spaß.

 

Ganz im Geiste der früheren Super Compressor-Uhren, die mit 18 bar überdurchschnittlich wasserdicht waren, stattet Milus auch die Neuauflage der Archimèdes mit einer für weit mehr als für typische Wassersportaktivitäten ausreichenden Wasserdichtigkeit in Höhe von 30 bar bzw. 300 Meter aus. Außerdem ist ein Heliumventil an Bord, das sich eher unscheinbar und nahtlos an der sehr fein satinierten Gehäuseflanke einfügt: Es handelt sich dabei um ein Sicherheitsventil, das während der Dekompressionsphase in sogenannten Druckkammern einen im Gehäuseinneren entstandenen Überdruck entweichen lassen kann. Beispiel gefällig? Für die Ostsee-Pipeline mussten vor einigen Jahren Spezialtaucher riesige Stahlrohre in 100 Metern Tiefe verschweißen. Während der Einsätze haben sie über Wochen in einer Druckkammer gelebt, unter dem Druck, der auch am Meeresboden herrscht. Denn ohne diese Druckkammern würden die Taucher mehr Zeit mit der Dekompression als mit der eigentlichen Arbeit verbringen. Die Otto-Normal-Uhrenfreunde unter euch, die hobbymäßig eher selten mal Rohre in der Ostsee verschweißen gehen, haben es sicher schon erraten: Ein Heliumventil hat nicht unbedingt einen nennenswerten Alltagsnutzen.

Gut: Sowohl das Leder- als auch das Mesh-Band kommen mit Schnellwechselfederstegen, wodurch sich die Bänder werkzeuglos innerhalb weniger Sekunden wechseln lassen. Auch ein Nato Strap kann optional erworben werden, das ist aber ziemlich kurz (fast zu kurz für mein 19 cm-Handgelenk).

Das Mesh gefällt mir optisch definitiv am besten. Es macht wegen der zweiteiligen Machart dabei auf den ersten Blick den Eindruck, als könne man jederzeit eine Feinjustierung vornehmen. Nun kommt das Aber: Tatsächlich handelt es sich um eine Standard-Schließenkonstruktion, die ich schon häufig gesehen habe und bei der man eine Art Clip mit Hebelwirkung öffnen muss (zum Beispiel mit einem kleinen Schraubendreher). Dann kann man die Schließe an die richtige Stelle schieben (also passend zum Handgelenkumfang). Anschließend muss man besagten Clip mit viel Schmackes wieder runterdrücken und somit fixieren und das andere Band-Ende “einhängen”. Prädikat: Etwas friemelig – hier wäre etwas mehr Liebe zum Detail angebracht gewesen (VANDAAG macht’s mit der Klaar vor). Haptisch macht das Band an sich in der Summe aber einen guten Eindruck.

 

Beim tickenden Innenleben hat Luc Tissot vielleicht ein paar Connections spielen lassen: Unabhängige Uhrenhersteller außerhalb des Swatch-Konzerns werden schon seit einigen Jahren in aller Regel nicht mehr direkt von der ETA SA beliefert (die Sellita SA füllt diese Lücke seitdem). Daher ist es durchaus erstaunlich, dass in der Milus Archimèdes ein Schweizer Automatikkaliber von der ETA SA arbeitet – und zwar in der Qualitätsstufe Top, die für eine sehr gute Ganggenauigkeit von 4 ±4 s/d sorgt und eine Incabloc-Stoßsicherung mitbringt.

Das hinter einem verschraubten Boden versteckte ETA 2892-A2 ist mit 3,6 mm merkbar flacher konstruiert als das deutlich stärker verbreitete ETA 2824 (4,6mm). Hier greift der Design-Leitsatz Form Follows Function, denn dadurch konnte Milus auch das Gehäuse mit 11,9mm relativ flach konstruieren – und das bemerkenswerterweise bei gleichzeitig sehr hoher Wasserdichtigkeit in Höhe von 30 bar / 300 Meter. Mit Blick auf Optik und Tragekomfort ist das 2892-A2 für die Archimèdes auf jeden Fall eine hervorragende Wahl, um ein perfektes Verhältnis aus Durchmesser und Gehäusehöhe zu generieren (Null Komma Null Kopflastigkeit).

Ansonsten nehmen sich das 2892 und das 2824 technisch fast nichts: Mit 26 Steinen tickt es mit einer Geschwindigkeit von 28.800 Halbschwingungen pro Stunde und bietet eine Gangreserve von 42 Stunden.

Abschließende Gedanken

Luc Tissot hat sein feines Näschen für den Uhrenmarkt in den letzten Jahrzehnten nicht verloren – Milus ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass sich in der Schweizer Uhrenindustrie noch so manches “Hidden Gem” tummelt, das für eine Zeit lang vom Radar verschwunden ist, aber heute wieder mehr als einen Blick wert ist (wenngleich Milus, wie ausgeführt, nie ganz weg war). Dass der Weg von “Milus 2.0” mit Luc Tissot als Gesicht geschieht und nicht mit einem namenlosen Investor, ist auf der Sympathie-Skala außerdem ein zusätzlicher Pluspunkt. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wo die Reise von Milus noch hingeht – Spoiler: Auf der Inhorgenta 2024 zeigte mir Milus das Vintage-Modell World Timer, das die Bieler bald neu auflegen wollen. Mit Blick auf die hohe Qualität der hier vorgestellten Milus Archimèdes, mache ich mir jedenfalls keine Sorgen, dass auch das nächste Modell richtig gut wird.

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